Überraschung – Hat Höcke etwa von einer Seite der Bundesregierung abgeschrieben?

Überraschung – Hat Höcke etwa von einer Seite der Bundesregierung abgeschrieben?

Grütters zur „Denkmalkultur in Deutschland“

Homepage der Bundesregierung | 05.09.17

Sind wir Deutschen auch mit Blick auf im positiven Sinne identitätsstiftende Erinnerungen „denkmalfähig“? Diese Frage stellte Kulturstaatsministerin Grütters in ihrer Rede zum Auftakt einer Podiumsdiskussion zum Thema Denkmalkultur. […] Dass nach 1990 […] das lang umstrittene Holocaust-Mahnmal […] zum bedeutendsten Denkmal in Berlin wurde, das hat für sich genommen schon hohe Symbolkraft. Neil MacGregor hat anhand dieses Beispiels auf eine Besonderheit deutscher Denkmalkultur aufmerksam gemacht. Er kenne, schrieb er im Buch zu seiner Ausstellung „Deutschland. Erinnerungen einer Nation“, er kenne „kein anderes Land, das in der Mitte seiner Hauptstadt ein Mahnmal der eigenen Schande errichtet hätte.“

Kommentar:

Auch wenn der Kommentator die Wertung der Höcke-Rede in Dresden in der Presseerklärung von Alice Weidel voll unterstützt (Rückwärtsgewandte Debatten sind kontraproduktiv), greift er doch den Hinweis eines Lesers der ZEIT auf die Rede der Kulturstaatsministerin Grütters auf. Sie zeigt wieder einmal, dass es in der politischen Diskussion oft eine „Doppelmoral“ gibt: Wenn Politiker X etwas sagt, wird es als „populistisch“ gebrandmarkt; wenn Politiker Y dasselbe sagt, aber als Vertreter der Regierungspartei, ist es völlig unproblematisch.
So empört man sich auf allen Kanälen über den Satz von Björn Höcke „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“
Wo aber ist der inhaltliche Unterschied zu dem Satz von Neil MacGregor, „er kenne kein anderes Land, das in der Mitte seiner Hauptstadt ein Mahnmal der eigenen Schande errichtet hätte“?
Dieser Satz hat nach der Veröffentlichung seines Buches zu keinerlei Aufschrei in den Medien und in der Politik geführt, im Gegenteil wird er von der Kultur(!)staatsministerin in ihrer Rede beispielhaft zitiert, ja sie plädiert sogar für eine „Auseinandersetzung mit unserer Erinnerungs- und Denkmalkultur, so zäh und mühsam solche Debatten bisweilen auch sind. Ich jedenfalls freue mich auf die Diskussion und hoffe, dass sie uns hilft, nicht nur am eigenen Versagen, am Ringen und Hadern mit der Vergangenheit zu reifen, sondern auch im Bewusstsein der eigenen Freiheitstraditionen zu wachsen.“
Man höre und staune:
Eine Vertreterin der Bundesregierung hofft, dass [die Diskussion] uns hilft, nicht nur am eigenen Versagen, am Ringen und Hadern mit der Vergangenheit zu reifen, sondern auch im Bewusstsein der eigenen Freiheitstraditionen zu wachsen.“ Und sie geht der Frage nach: „Sind wir Deutschen auch mit Blick auf im positiven Sinne identitätsstiftende Erinnerungen ‚denkmalfähig‘“?
Wo aber bleibt diese Diskussion?

Noch einmal: Der Kommentator steht Herrn Höcke mehr als kritisch gegenüber, aber auch der angesprochenen Doppelmoral.

(1854)