Wie? Auf einmal eine berechtigte Frage?

Wie? Auf einmal eine berechtigte Frage?

Darf ein Christ Angst haben vor dem Islam?

Der Tagesspiegel | 23.05.17

Vor zwei Jahren, auf dem Kirchentag in Stuttgart, waren die Flüchtlinge das beherrschende Thema. Nach „Frieden schaffen“ und „Schöpfung bewahren“ heißt es seitdem mit Nachdruck „Liebe deinen Nächsten“. Die Politik der Bundesregierung hat sich seitdem mehrfach radikal gewandelt. Die einst offenen Grenzen sind längst zu, die Balkanroute verschlossen, ein Pakt zwischen EU und Türkei soll Schleppern das Handwerk legen, kriminelle Asylbewerber werden leichter abgeschoben, mehr Staaten wurden zu sicheren Herkunftsländern erklärt.
Das alles galt vor zwei Jahren als unchristlich. […] Dann kam die Silvesternacht von Köln, und die Kriminalitätsstatistik registrierte einen überdurchschnittlich hohen Anstieg von Verbrechen, die durch Flüchtlinge begangen werden. Wo steht, vor dem Hintergrund dieser Entwicklung, der Kirchentag?
Darf ein Christ Angst haben vor dem Islam? Darf ein Christ für die Begrenzung von Zuwanderern sein? Darf ein Christ gegen den Euro und gegen eine noch engere Europäische Union sein? Vielleicht gehört es zu den großen Aufgaben des diesjährigen Kirchentages, solche Fragen offen zu diskutieren, ohne Vorurteile und ohne Vorverurteilungen.

Kommentar:

Ein sehr guter Kommentar, den man wohl kaum im Berliner Tagesspiegel erwartet hätte.
Doch: Warum sollte es eigentlich erst heute zu den großen Aufgaben eines Kirchentages (und nicht nur eines Kirchentages!) gehören, solche Fragen offen zu diskutieren, ohne Vorurteile und ohne Vorverurteilungen? Gehört es denn nicht grundsätzlich zu einer demokratischen Gesellschaft, über alle (!) möglichen Fragen „offen, ohne Vorurteile und ohne Vorverurteilungen“ zu diskutieren?
Und welchen moralischen bzw. Orientierung gebenden Anspruch kann eine Kirche noch haben, wenn alles, was „vor zwei Jahren als unchristlich(galt), nun auf einmal diskutiert werden darf? – „ohne Vorurteile und Vorverurteilungen“!!!
Das bedeutet doch im Umkehrschluss: Bis heute gab es von Seiten der Kirchen „Vorurteile“ und „Vorverurteilungen“!
Wer und aufgrund welcher Legitimation entscheidet denn in tagespolitischen Fragen, was als „unchristlich“ gilt bzw. was zwei Jahre später als „christlich“ gilt? Gibt es etwa ein Verfallsdatum für „die politischen Lehren“ einer Kirche? Sollte sich die Kirche überhaupt zu tagespolitischen Fragen äußern?
Ein Leser bemerkt dazu sehr kritisch:
„Von der evangelischen Kirche bekommt man jedes Statement gegen „Rechts“, „Klimawandel“, „Frauenfeindlichkeit“, „Antiislamismus“ usw., usw., aber kein Wort über Sünde und Gnade, Himmel und Hölle. Diese Kirche sollte sich auflösen und geschlossen zu den Sozis. Linken oder Grünen übertreten. Man würde das nicht einmal bemerken!“

(1935)