Der „neue“ Haldenwang

Der „neue“ Haldenwang

Mögliches AfD-Verbot: Deutscher Verfassungsschutz kann neue Einschätzung erst nach der Wahl liefern

Neue Züricher Zeitung (NZZ) | 20.11.24

Die AfD könnte im neuen Deutschen Bundestag zweitstärkste Kraft werden. Zugleich liegt im Parlament ein Antrag vor, die Partei zu verbieten, und das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet an einem neuen Gutachten, das sie womöglich vom «Verdachtsfall» zu «gesichert rechtsextrem» hochstufen soll. Bis vor kurzem hiess es, mit dem Ergebnis sei noch in diesem Jahr zu rechnen. Das gilt seit dem Scheitern der Regierungskoalition und der Entscheidung über eine baldige Neuwahl nicht mehr. Zumal der Behördenchef Thomas Haldenwang in die Politik wechselt: Er will für die CDU in den Bundestag.
Da wäre es ungünstig, wenn er versuchte, die politische Konkurrenz, über die er Geheimdienstwissen besitzt, auf diesem Wege zu bremsen. «Die Verkündung des Prüfergebnisses noch in diesem Jahr war mit der vorgezogenen Neuwahl obsolet – das wäre zu nah an den Wahltermin gerückt», sagte Haldenwang der «Tageszeitung». Es würde die Chancengleichheit der Parteien beeinträchtigen. […]
Die weitere Entwicklung wird Haldenwang, der die Beobachtung der AfD massgeblich aus der Exekutive betrieben hat, nun wohl aus der Legislative weiterverfolgen. An diesem Wechsel hatte es erhebliche Kritik gegeben.

Kommentar:

Ergänzend sei hier an einen Artikel der NZZ vom 03.09.24 erinnert: „Die AfD wird als «gesichert rechtsextremistisch» bezeichnet – ist die Einschätzung des Verfassungsschutzes neutral?“
https://www.nzz.ch/international/afd-und-verfassungsschutz-ist-die-einstufung-als-rechtsextremistisch-neutral-ld.1846501
„In seinem Buch «Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?» weist der ehemalige SPD-Minister Mathias Brodkorb darauf hin, dass die Einschätzung des Volksbegriffs, wie ihn einige AfD-Politiker verwenden, nicht einheitlich als rechtsextrem angesehen werde. Die Bewertung variiere vielmehr zwischen den Verfassungsschutzbehörden und stehe teilweise im Widerspruch zu anderen Veröffentlichungen. Auch das Grundgesetz selbst kennt ein «deutsches Volk». Die Bundesregierung fördert zudem nachweislich selbst die «ethnokulturelle Identität» von Auslanddeutschen. […]
Was der Moderator des öffentlichrechtlichen Rundfunks als «Tatsache» darstellt, ist die Auslegungssache einer nicht unabhängigen, sondern weisungsgebundenen Behörde mit politischen Beamten. Das schliesst zwar eine rechtsextreme Gesinnung einiger AfD-Politiker nicht aus, stellt jedoch auch kein wissenschaftlich fundiertes Urteil dar, sondern bietet Raum für Interpretation.“

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