Blome warnt heute vor Entwicklungen, vor denen die AfD schon 2015 gewarnt hat.

Blome warnt heute vor Entwicklungen, vor denen die AfD schon 2015 gewarnt hat.

Guter Flüchtling, schlechter Flüchtling

DER SPIEGEL | 28.03.22

Gut eine Viertelmillion Flüchtlinge aus der Ukraine sind schon in Deutschland angekommen, und das sind nur die Registrierten. Der Zustrom der ersten vier Wochen ist mindestens so groß und so schnell wie im Herbst 2015, weshalb besonders die Bürgerlichen immer öfter bei sich murmeln: »2015 darf sich nicht wiederholen.« […]
Tatsächlich scheint sich wie 2015 eine gesamtgesellschaftliche Emotions-Amplitude aufzubauen, beginnend mit enormer privater Hilfsbereitschaft und politischer Empfangs-Euphorie (aktuell), übergehend in mannigfaltige behördliche Überforderung (vermutlich demnächst) und endend in großem Frust viel zu vieler. Für meinen Geschmack tragen die ersten Wochen der Flüchtlingsaufnahme im Guten wie im Schlechten vergleichbare Züge.

Da ist zum einen die erwartungsüberfrachtete Nützlichkeitsstilisierung der Geflüchteten: Als würde für ihre Aufnahme nicht ausreichen, was sie durchgemacht haben, gelten sie – erneut – als Allheilmittel gegen den deutschen Fachkräftemangel. […] Aber Obacht, das hatten wir schon, und dann waren es doch nicht alles Zahnärzt:innen und Raketentechniker:innen, die 2015/16 kamen. Zugleich sollte man sich dieses Mal früh mit dem Gedanken vertraut machen, dass – erneut – manche der vielen Flüchtlinge unschöne Gebräuche aus ihrer Heimat mitbringen könnten. […]

Was sich ebenfalls zu wiederholen scheint, ist der achselzuckende Blindflug der Zuständigen. Kein Ministerium, keine Behörde weiß, wie viele ukrainische Flüchtlinge im Land sind, weshalb kein Ministerium und keine Behörde weiß, was an Aufgaben oder Belastungen auf sie zukommt. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Registrierung sind bekannt, aber sie machen das politische Problem nicht kleiner, sondern seine Lösung dringender, ganz zu schweigen von jenen, die im Konvoi der Flüchtlinge illegal Trittbrett fahren. Trotzdem stehen Prüfung und Grenzkontrollen in Deutschland neuerlich unter Repressions- oder Rassismusverdacht. Ich dachte, wir wären weiter.

Kommentar:

Hätten Sie einen solchen Artikel im SPIEGEL erwartet? Und wenn Sie in die zahlreichen Leserkommentare schauen, werden Sie sich vielleicht auch fragen: So viel Zustimmung bei SPIEGEL-Lesern? Überraschend!
Doch dann könnte man nachdenklich werden und fragen: Warum wählen dann so viele die Parteien, die die Folgen von 2015 zu verantworten haben?

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