Schweizer Blick auf deutsche Medien
Berichterstatter als Stimmungsmacher
Neue Züricher Zeitung NZZ | 19.09.15
Deutsche «Sommermärchen» dauern offenbar immer vier Wochen. Das war bei den Fussball-Weltmeisterschaften 2006 und 2014 so, und das scheint jetzt auch für die «Willkommenskultur» für Migranten zu gelten. Wo Leitmedien gerade noch affirmativ das «neue, lichte Deutschland» feierten («Der Spiegel»), das Zuwanderung fast unbeschränkt zulässt, dominieren jetzt Schlagzeilen wie «Deutschland muss Deutschland bleiben» («FAZ»), «Nur die ‹Festung Europa› kann jetzt noch Leben retten» («Die Welt») oder «Wir schaffen es doch nicht» («Süddeutsche Zeitung»). Im ARD-«Presseclub» sprach eine Journalistin am letzten Sonntag von der «Besoffenheit», in der Politik und Medien in den letzten Wochen ihre Entscheidungen getroffen hätten.
Kommentar:
Ein sehr lesenswerter Artikel. In diesem Zusammenhang muss man einfach noch einmal den kürzlich verstorbenen Egon Bahr (SPD) zitieren: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ Aber offensichtlich macht nicht nur Liebe blind, sondern auch Betroffenheit. Und wie bei der Liebe werden wohl auch bei der Betroffenheit die meisten über kurz oder lang wieder sehend werden. Und dann?