CDU orientierungslos und populistisch

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Kramp-Karrenbauer stellt Doppelpass für Türken in Frage

t-online.de | 07.10.18

Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat scharfe Kritik am türkischen Präsidenten geübt und eine doppelte Staatsbürgerschaft für türkischstämmige Menschen in Deutschland infrage gestellt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe bei seinem Deutschland-Besuch deutlich gemacht, dass es ihm nicht darum gehe, die Integration der drei Millionen Türkischstämmigen in Deutschland zu fördern. […] Wenn es keine Übereinstimmung mit Ankara und kein Entgegenkommen der türkischen Regierung gebe, müsse das Thema Doppelpass besonders für Türkischstämmige wieder auf die Tagesordnung kommen.

Kommentar:

Die CDU weiß nicht, was sie will und legt einen Schlingerkurs vom Feinsten hin. Sie hofft, dass die Wähler nur ein politisches Kurzzeitgedächtnis haben.

Erinnern Sie sich noch an 2016? Da stellte Jakob Augstein am 4. August im Spiegel lapidare fest: „Doppelpass für Deutschtürken: Wir haben uns geirrt – Die doppelte Staatsangehörigkeit war einmal als progressives Projekt gedacht. Sie war ein Irrtum“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/doppelpass-fuer-deutschtuerken-war-ein-fehler-kolumne-augstein-a-1106072.html#js-article-comments-box-pager
Zur gleichen Zeit wurde innerhalb der CDU die Forderung lauter, den Doppelpass in der jetzigen Form wieder abzuschaffen, wobei der Merkur am 17.08.16 fragte: „Macht sich die Union Teile des AfD-Programms zu eigen?“
http://www.merkur.de/politik/afd-union-macht-sich-angeblich-programm-eigen-zr-6666323.html

Die Frage war berechtigt; denn die AfD hatte schon am 30.04./01.05. 2016 (!) ihre Position zur Doppelten Staatsangehörigkeit in ihrem Parteiprogramm klar formuliert:
„Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit ist Abschluss einer erfolgreichen Integration, nicht aber deren Ausgangspunkt. Für die AfD ist die deutsche Staatsangehörigkeit untrennbar mit unserer Kultur und Sprache verbunden. Die Staatangehörigkeit hat in den vergangenen Jahren einen schleichenden Bedeutungsverlust erfahren. Kinder bekommen unter bestimmten Bedingungen automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, auch wenn kein Elternteil Deutscher ist. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten der doppelten Staatsangehörigkeit erweitert.
Die AfD lehnt den „Doppelpass“, also den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bei gleichzeitigem Fortbestand oder Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit, grundsätzlich ab, was wohlbegründete Sonderfälle aber nicht ausschließt. Darüber hinaus müssen die Anforderungen für eine Einbürgerung deutlich erhöht werden.
Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nur an mündige Einwanderer verliehen werden. Damit unvereinbar ist der automatische Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit für Kinder ausländischer Elternpaare, der zu erheblichem Missbrauch geführt hat. Diese Kinder sollen die deutsche Staatsangehörigkeit nur dann erhalten, wenn mindestens ein Elternteil bereits Deutscher ist. Das Territorialprinzip wollen wir aus diesen Gründen wieder aus dem Gesetz streichen.“ (S.65 im Pateiprogramm der AfD)

Im Dezember 2016 kündigte dann die Mehrheit der CDU-Delegierten beim Essener Parteitag den Kompromiss zur doppelten Staatsangehörigkeit auf; doch die Parteivorsitzende (Bundeskanzlerin und lupenreine Demokratin) erklärte sofort, dass sie den demokratischen Mehrheitsbeschluss nicht umzusetzen gedenke!
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-12/staatsbuergerschaft-cdu-parteitag-integration
Die Partei hat gekuscht – dabei redet sie doch immer von der Bewahrung der Demokratie!

Die Folgen sind in der WELT vom 10.08.18 noch einmal beschrieben worden: „In Deutschland behalten sechs von zehn eingebürgerten Menschen laut Statistischem Bundesamt die alte Staatsbürgerschaft. Kein eingebürgerter Syrer, Afghane, Marokkaner oder Nigerianer hat 2017 den Pass seines Herkunftslandes abgegeben.
Demnach haben 68.918 von insgesamt 112.211 eingebürgerten Menschen ihre bisherige Staatsbürgerschaft beibehalten. […] Dabei will das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht das Entstehen von Mehrstaatigkeit vermeiden und nur in Ausnahmefällen zulassen. Noch bei der großen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts 1999 wurde in der Gesetzesbegründung betont, „der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung“ werde „beachtet“. Und: „Insbesondere unter Ordnungsgesichtspunkten besteht ein staatliches Interesse, die Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit einzuschränken.“
https://www.welt.de/politik/deutschland/article180899006/Einbuergerung-Inflationaere-Vergabe-von-Doppelpaessen.html

Merke: Dieselben Parteien, die 1999 bei der Gesetzesbegründung betont haben, „insbesondere unter Ordnungsgesichtspunkten besteh[e] ein staatliches Interesse, die Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit einzuschränken“, kümmern sich heute offensichtlich keinen Deut mehr um dieses „staatliche Interesse“.

Am 2. Februar 2018 hat die Fraktion der AfD im Bundestag den Antrag gestellt, die doppelte Staatsangehörigkeit wieder einzuschränken und zur bis 2014 geltenden Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht zurückzukehren.
Vgl. dazu noch einmal die Rede des Abgeordneten Dr. Curio:
https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7198109#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03MTk4MTA5P3ZpZGVvaWQ9NzE5ODEwOQ==&mod=mediathek
„Natürlich“ wurde der Antrag von den anderen Parteien abgelehnt – auch von den CDU-Abgeordneten, die in Essen dafür gestimmt hatten!

Und nun – nach dem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten – kommt die CDU-Generalsekretärin auf einmal bei der Jungen Union mit dem Vorschlag, das Thema Doppelpass müsse besonders für Türkischstämmige wieder auf die Tagesordnung kommen.“

Wenn das nicht Populismus ist!

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