Gefährden die „demokratischen“ Parteien nicht die Demokratie?
In Berlin werden die Grundrechte wie auf dem Basar verhandelt
Die Erklärung für die unterschiedliche Bewertung der Gültigkeit der Wahlen ist so simpel wie skandalös. Es ist eine politische Entscheidung, die sich an den Interessen der verhandelnden Parteien und nicht an denen der Wähler orientiert. […] Denn kein unabhängiges Gericht, sondern die Abgeordneten selbst entscheiden über die Rechtmässigkeit der Bundestagswahl. Der Ausschuss gibt eine Empfehlung an den Bundestag ab, der noch im Oktober abstimmen will. Hier offenbart sich ein für jedermann sichtbarer Interessenkonflikt. Denn offensichtlich trieb die Koalitionäre mehr die Sorge über die eigenen Mandate als der Schutz des Wahlrechts an. […]
Es ist schwer vermittelbar, dass unterschiedliche Instanzen und nicht unabhängige Gerichte über die Gültigkeit von Wahlen entscheiden. Demokratie braucht Vertrauen, damit sich nicht noch mehr Menschen von der politischen Meinungsbildung abwenden. Parteipolitisches Gefeilsche über die Gültigkeit von Wahlergebnissen trägt nicht dazu bei.
Kommentar:
Die NZZ macht mit wünschenswerter Deutlichkeit klar, dass die Parteien, die sich selbst „demokratisch“ nennen, keineswegs nur im Sinne der Demokratie handeln – jedenfalls nicht, wenn es um die eigenen Interessen geht.
Das bestätigen auch die zahlreichen Leserkommentare mit einer Vielzahl von sachlichen Argumenten. Hier nur eine kleine Auswahl als Appetitanreger:
1) „Auch dieser Vorfall zeigt wieder mal überdeutlich, daß es Politiker*innen nicht um die Grundrechte oder gar Menschen geht, sondern nur um die eigene Haut, die eigene Position, das eigene Einkommen. Dafür tun sie alles, sie tolerieren illegal abgelaufene Wahlen und verstoßen damit sogar gegen das Grundgesetz. Und das ohne jegliches schlechte Gewissen. Das gleiche läuft zur Zeit in Rheinland-Pfalz bei der Aufarbeitung der Ahrtal-Katastrophe ab. Da wurden Hubschrauber-Videos zurückgehalten (bzw. sie waren „verschwunden“), die eindeutig beweisen, daß dem Innenminister am Abend der Katastrophe das ganze Ausmaß des Dramas bekannt war. Trotzdem tat er nichts und legte sich ins Bett zum Schlafen. Und im Nachgang ging es lediglich darum, die Verantwortung hin und her zu schieben und ja nicht auf sich selbst zu nehmen. Das Schauspiel um die ehemalige Familienministerin Anne Spiegel fällt in die gleiche Kategorie. Und komisch – ausgerechnet die Amtsinhaber von Parteien, die so gerne moralisieren, haben mit persönlicher Moral am wenigsten zu tun…..“
2) „Die unterschwellige Botschaft, die man hören könnte, lautet: Hey Leute, warum sollen wir uns Mühe machen, diese Wahl zu wiederholen. Ist doch eh egal, kommt eh dasselbe raus. Erinnert dann doch etwas an Volkskammer. Eine Wahl muss sein, damit man die Nummer noch Demokratie nennen kann, aber der „Wille des Volkes“ spielt eine marginale Rolle.“
3) „Demokratie made in Germany
Es ist schon eine ganze Weile her, da ließ die damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin (die mit dem Hut) vier mal wählen, bis sie endlich die Niederlage akzeptierte.
Eine in weiten Teilen Deutschlands sehr beliebte Kanzlerin ließ mit energischem Zwischenruf aus Afrika eine Wahl zum Ministerpräsidenten eines Bundeslandes rückgängig machen.
In Berlin (wo sonst?) liefen wichtige Wahlen am 26. September so ab, wie man es nicht einmal einem Entwicklungsland zugestehen würde.
Und nun soll die Wahlwiederholung so ausgeführt werden, dass sich am Ergebnis nichts ändert. Dies gilt ganz besonders für die Direktkandidaten der Linken. Kann doch hier eine Änderung dazu führen, dass diese Partei aus dem Bundestag fliegt.
Mit Ausnahme der Dame mit dem Hut sind alle diese Fälle verbunden mit Akteuren (m/w), die eine zum Teil recht herzliche Beziehung zur ‟DDR“ hatten bzw. haben. Ein Zufall?“
4) „Wenn die «Integrität des Wahlergebnisses» durch das Landesverfassungsgericht als erheblich beschädigt beurteilt wird, dann fürchten Abgeordnete darum, dass ihnen die Fresströge abmontiert werden, sie also ihr Mandat verlieren könnten. Wenn aber kein unabhängiges Gericht, sondern die Abgeordneten selbst entscheiden über die Rechtmäßigkeit der Bundestagswahl, dann ernennen sich die Beklagten zu ihren eigenen Richtern. Es sind die gleichen Parlamentarier, die es schon immer als notwendiges Übel der Demokratie angesehen haben, sich dem Urteil der Wähler bei jeder Wahl beugen zu müssen.
Der Souverän, also der Wähler hat in DE kaum Entscheidungsmacht. Nur 40 %, das sind 299 Abgeordnete darf er direkt wählen. 437 von ihnen, das sind fast 60 % werden in Hinterzimmern ausgekungelt und gelangen über die Landeslisten ihrer Partei in den Bundestag. Das Volk, von dem in einer Demokratie alle Macht ausgehen soll, darf in DE weder den Kanzler, geschweige denn den Bundespräsidenten wählen.
Die BTW ist für den Souverän eine Wundertüte, denn er weiß nicht, welche Koalition aus der Wahl hervorgeht, die also die Regierung bildet. So eine Demokratie würden Schweizer als Horrorvision ansehen, bzw. könnten sich gar nicht vorstellen, sich so eine Demokratie aufoktroyieren zu lassen.“
5) „Wann leitet die EU die notwendigen Untersuchung und Verfahren ein? Oder gelten für DE andere Regeln als für die Ost Mitglieder?“
Es lohnt sich, auch die anderen Kommentare zu lesen – und dann AfD zu wählen.
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