Wermelskirchen – unser ‚Hohes Haus‘
Gastbeitrag von Jürgen Steeger
Roger Willemsen hat kurz vor seinem Tod das wunderbare Buch über sein Jahr im Bundestag geschrieben. Wenn man es gelesen hat, weiß man, das unsere parlamentarische Demokratie ein Geschenk ist. Man verliert aber den Glauben an die Parteien und Menschen, die diesen Staat zur Zeit immer noch tragen. Zuviel Ideologie, zu wenig Zuhören. Zuviel Narzissmus, zu wenig Verantwortung. Ein Armutszeugnis für unseren Staat.
27. März 2017. Der Rat der Stadt Wermelskirchen tagt. Hauptthema ist die Abstimmung der Haushaltsplanung. Man geht als interessierter Bürger hin und erwartet konstruktive Vorträge und verantwortungsvolle Entscheidungen von Politik und Verwaltung. Man erwartet, dass alles auf den Bürger ausgerichtet ist, den Souverän, der dies alles wählt und bezahlt. Man sieht dann 54 Mitglieder des Rates, bestens nach Fraktionen geordnet. Man merkt, dass die Parteien sich wohlfühlen, auch hier unter sich zu sein, sich selber wichtiger zu nehmen als den Bürger, der eher als ein Mittel zum Wahlzweck einzuordnen ist.
Nach Ende der Veranstaltung ist der Frust groß. Man geht, und man verspürt nur noch Wut ob der offensichtlichen mangelnden Verantwortung für unsere Stadt, ob der Worthülsen, ob der gelebten Dominanz der Parteienideologien, ob der Verschiebung von Problemlösungen in die dann nicht mehr zu verantwortenden Zukunft unserer Stadt.
Haushalt. Fakten sind: Wermelskirchen muss bis 2022 den Haushalt ausgleichen, also das Mindeste erreichen, was man doch simpel verlangen kann: Ausgaben = Einnahmen. Man hat sich Ziele gegeben, z.B. dass in 2017 Personalkosten um € 900.000 gesenkt werden müssen, um das Ziel zu erreichen. Das geht aber nicht lt. Rat, weil man ja nachweisen kann, dass aufgrund der mangelnden personellen Ausstattung in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden, die dann Kosten verursacht haben, die über einer möglichen Personalinvestition gelegen haben. Also muss man doch lt. Rat in 2017 alle Zielvorgaben ignorieren, und nicht € 900.000 einsparen, sondern € 750.000 drauflegen. Dass man dann wieder ein Defizit von € 4.200.000 – ca. 5% vom Budget – beschließt, scheint Peanuts zu sein. Verantwortungslosigkeit pur. Null Willen zum Sparen, null Willen zur Fokussierung auf Effizienz in der Verwaltung, null konkrete Ziele, aber Worthülsen ohne Ende. Hauptsache: wieder wählbar sein. Ein Deja Vu auch in Wermelskirchen, vor allem einem derzeitigen sozialdemokratischen Rückzug in den Gefühlstrend folgend.
Die Sozialdemokraten geben zur Kenntnis: ‚Für die Zukunft ist die SPD bereit, mit der Verwaltung weitere Einspar- und Einnahmepotenziale zu ermitteln‘. Geht es noch? Seit Jahren sitzt diese Fraktion im Rat und zeigt nie Verantwortung für die Gegenwart, und setzt nur auf die Zukunft? Dann noch der Vertreter der Grünen: ‚wir warnen vor machtpolitisch motivierten Entscheidungen, die nicht zum Wohle der Bürger sind. Wir wollen Wermelskirchen für die Zukunft attraktiv machen.‘ Wo ist die Stecknadel zum Reinpieksen? Das ist echter, purer Populismus.
Das sagt man zur Begründung: die Demografiefalle droht, wir müssen attraktiv für Familien werden. Wenn man genauer hinsieht: in welchem Arbeitskreis des Rates wird denn überhaupt hierzu fundierte Sacharbeit geleistet? Was wollen Familien überhaupt? Sind Kunstrasen, Jugendfreizeitareale, Hallenbad wirklich unabdingbar? Wo ist z.B. die gezeigte Verantwortung, in dem vorgegebenen, limitierten Einnahmerahmen, Platz für finanzielle Mittel bereitzustellen, dass bis 2021 im Schnitt weitere, gesetzlich als Minimum benötigte 110 Plätze in Kindertagesstätten geschaffen und unterhalten werden können? Und zwar nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität. Welche bezahlbaren Pläne existieren zudem, Familien den Erwerb von Wohnraum zu ermöglichen?
Vergebener Wunsch, vergebene Fragen des Bürgers. Stattdessen widmet man lieber ausgiebig einer Diskussion Zeit, um zu entscheiden, wie der Betrieb der Kattwinkelschen in Zukunft auf die Dezernate der Stadt verteilt werden soll. Dabei kann ja wieder einfach ideologisch agieren. Dass dabei die Vertreter der Stadtverwaltung zu allem Überfluss den Überblick verlieren, über was wie abgestimmt werden soll, muss der wählende und zahlende Bürger eben hinnehmen.
Was nimmt man von so einem Abend mit? Innerhalb der ersten 24 Stunden nur nackte Wut, dass alle Probleme mal wieder in die Zukunft, auf die nächste Generation verschoben werden sollen. Dass man falschen Politikern vertraut hat. Dass man zwischen den Wahlen nichts mitentscheiden kann.
Welche politischen Forderungen sollten dann für eine verantwortungsvollere Politik im Vordergrund stehen? Aus meiner Sicht ist das Mindeste: zum einen die sofortige Erstellung eines finanziell bewerteten Maßnahmenkatalogs für den städtischen Haushalt bis 2022. Ziel: Haushaltsausgleich. Unterzeichnet von allen Parteien im Stadtrat. Dazu dann: für jedes neue Projekt, das die Politik zur der Verwaltung zur Bearbeitung vorlegt, müssen Einsparungen bei anderen Projekten in gleicher Höhe entschieden werden. Es führt auch kein Weg daran vorbei, dass die Verwaltungseffizienz auf den Prüfstand muss. Klare Zielvorgaben, klare Prozesse, Qualität schlägt Quantität bei der Personalwahl. Wie es die freie Wirtschaft auch handhabt, die keine Probleme in die Zukunft verschiebt, sondern angeht und löst. Und: was hält uns davon ab, die repräsentative Demokratie auch in Wermelskirchen zu ergänzen, indem man bei wichtigen Zukunftsfragen die Bürger direkt mitentscheiden lässt?
Unabdingbar ist für mich eine neue Politik, die Verantwortung zeigt. Neue Ansätze, neue Repräsentanten sind gefordert. Unsere Stadt braucht weniger Ideologie und Worthülsen, dafür Realismus und Pragmatismus. Setzen wir als kleinen ersten Schritt ein Zeichen an die gesinnungsorientierten Ideologen am 14. Mai bei der Landtagswahl. Und: wenn wir wirklich verantwortungsvolle Bürger der Stadt Wermelskirchen sein wollen, müssen wir bei der nächsten Ratswahl einiges ändern.
Holen wir uns das ‚Hohe Haus‘ in Wermelskirchen zurück!
Jürgen Steeger