Wieder ein Grundsatzartikel in der NZZ – Wo sonst?

Wieder ein Grundsatzartikel in der NZZ – Wo sonst?

Deutscher Selbsthass ist kein Identifikationsangebot

NZZ (Neue Züricher Zeitung) | 18.03.21

Der Politikwissenschafter Hamed Abdel-Samad, als 23-Jähriger aus Ägypten eingewandert, fordert einen Masterplan für Deutschland, der auch eine positive emotionale Integration der Migranten ermöglicht. Gerade junge Deutsche aus Migrantenfamilien warnen immer wieder vor dem «Selbsthass der Deutschen» (Salahdin Koban) und erklären, sie und ihre Altersgenossen könnten sich nicht damit identifizieren. Nicht nur für Koban ist er die Hauptursache dafür, dass nicht wenige keinerlei Respekt vor Deutschen hätten und auch deren Wertekanon und den Rechtsstaat ablehnten.
Wie weit tonangebende Kreise von der Wirklichkeit entfernt sind, zeigt der Bericht, den die Fachkommission «Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit» vor wenigen Wochen der Bundeskanzlerin überreicht hat. Das Rezept für die «integrierte Gesellschaft»: Die einheimische Mehrheitsgesellschaft verliert den Status der Aufnahmegesellschaft und muss sich ebenfalls integrieren. Die Einwanderungsgesellschaft Deutschland erscheint wie eine neu zu gründende Wohngemeinschaft, in der die Mitbewohner nun alle gemeinsam die Koordinaten für das Zusammenleben neu aushandeln. Das Einzige, was von der Geschichte der Alt-Gesellschaft übrig bleibt und im Unterricht zu vermitteln ist? Genau: die Zeit des Nationalsozialismus. Deutsche Kultur, Geschichte, Literatur: Fehlanzeige. […]
Die Unfähigkeit Deutschlands, im Jahre 31 nach der Wiedervereinigung und ein Dreivierteljahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein Selbstverständnis als Nation zu entwickeln, ist beunruhigend. Dabei könnte ein weltoffener Patriotismus umfassend integrative Kraft entfalten, wenn es darum geht, sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen. Das Konzept des Nationalstaats ist im Übrigen aus guten Gründen die Norm – in Europa wie in der Welt.

Kommentar:

Der Artikel wie die Leserkommentare sind lesenswert.

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