Wieder sehr gute interaktive Analyse der Wählerwanderungen

Wieder sehr gute interaktive Analyse der Wählerwanderungen

Wer die AfD in Berlin gewählt hat

Der Spiegel | 19.09.16

Von der gestiegenen Wahlbeteiligung konnte die AfD erneut am stärksten profitieren. Laut Analysen von Infratest Dimap mobilisierten die Rechtspopulisten 64.000 Ex-Nichtwähler, die anderen fünf Parteien, die es ins Abgeordnetenhaus schafften, bringen es gemeinsam nur auf 41.000. Außerdem wechselten 37.000 CDU-Wähler und 22.000 SPD-Wähler zur AfD. Am wenigsten Stimmen gewann Spitzenkandidat Georg Pazderski, der die Partei gemeinsam mit von Storch führt, von den Grünen. Von der Ökopartei wanderten nur 3000 Wähler zur AfD ab, von Linkspartei und Piraten waren es jeweils 11.000.

Kommentar:

Drei Bemerkungen:
1. Am Tag vor der Wahl hat der Regierende Bürgermeister Müller allen Ernstes behauptet: „10-14 Prozent für die AfD wären ein Zeichen für den Wiederaufstieg der Nazis“. Eine ungeheuerliche Entgleisung! In der Wahl haben 14,1 Prozent der Wähler tatsächlich ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Alles Nazis?
Wenn ja, dann gibt es in seiner SPD nun 24.000 Nazis weniger, die bei der letzten Wahl noch SPD gewählt haben, bei der CDU sogar 39.000 Nazis weniger und selbst bei den Grünen wären vorher 4.000 Nazis versteckt gewesen. Absurd. Aber keinen regt es auf.
2. Derselbe Herr Müller sagt nach der Wahl, er wolle mit allen demokratischen Parteien sprechen, schließt dabei aber die AfD aus. Er erklärt also die AfD zu einer nicht-demokratischen Partei. Auch das ist ungeheuerlich und gleichzeitig absurd: Er behauptet damit nämlich, dass in Berlin (und vorher schon bei verschiedenen Kommunalwahlen, Landtagswahlen und auch bei der Bundestagswahl und der Europawahl) eine nicht-demokratische Partei zur Wahl zugelassen worden sei. Wenn das so wäre, dann hätte er das als Regierender Bürgermeister wenigstens in seiner Stadt unbedingt verhindern müssen. Merke: Herr Müller und andere halten die Adressaten solcher Botschaften für so dumm, dass sie nicht merken, welchen Unfug sie verzapfen. Sie verdummen die Menschen zum eigenen Vorteil. Das ist schäbig.
3. Bei allem Lob für die Aufarbeitung der Daten nun noch ein Hinweis auf die Möglichkeit der unterschwelligen Meinungsmache durch Sprache. Ist Ihnen Folgendes aufgefallen?
Zu Beginn des Artikels berichtet der Verfasser mehr oder weniger sachlich, dass „die Rechtspopulisten“ 64.000 Ex-Nichtwähler mobilisiert hätten und wie viele Wähler von der CDU bzw. der SPD zur „AfD“ gewechselt seien. Hier ist von der AfD als Partei die Rede. Dann aber wird beiläufig die Perspektive geändert: Nun wird auf einmal der Spitzenkandidat (natürlich verbunden mit dem für Insider kritischen Hinweis auf seine Kollegin von Storch) Subjekt des Satzes, der da lautet: „Am wenigsten Stimmen gewann Spitzenkandidat Georg Pazderski, der die Partei gemeinsam mit von Storch führt, von den Grünen.“ Ist es bloße Vermutung oder gar eine Unterstellung, dass die Grünen bewusst ans Ende des Satzes und hinter den eingeschobenen Nebensatz gestellt worden sind? Soll beim Leser hängen bleiben: „Am wenigsten Stimmen gewann Spitzenkandidat Georg Pazderski, der die Partei gemeinsam mit von Storch führt“? Soll die Botschaft sein: Die AfD hat viel gewonnen, der Vorsitzende und Frau von Storch am wenigsten (gewonnen!)?
Subtil, subtil.

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