Gedanken zur Italien-Wahl

Gedanken zur Italien-Wahl

Gastkommentar von Johanna Locke

Giorgia Meloni – © Von Vox España – CPAC 2022 con Hermann Tertsch y Victor Gonzalez., CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=118495527
Es ist vollbracht: Italien bekommt aller Voraussicht nach die erste weibliche Ministerpräsidentin! Giorgia Meloni (geb.1977) ist eine attraktive, intelligente Frau, die sich ihr Studium durch Nebenjobs selbst finanzierte und auch danach ihren Weg in der Politik ganz ohne Quotenregelung absolvierte. Im Alter von 31 Jahren wird sie in Berlusconis Kabinett Jugend- und Sportministerin – die jüngste Ministerin in Italiens Geschichte.

Eigentlich ein Triumph des Feminismus – aber dennoch keinerlei Jubelstimmung in der deutschen Medienlandschaft. Von einer herzlichen Gratulation durch unseren Bundeskanzler oder unsere „feministische Außenministerin“ habe ich bisher noch nichts gelesen. Deutsche Medien überschlagen sich mit Schlagzeilen wie „Italien wählt Mussolinis treue Erbin“ oder „Italien-Wahl – Was der Wahlsieg der Post-Faschistin Giorgia Meloni bedeutet“. Die nicht gewählte Laiendarstellerin an der Spitze der EU-Kommission drohte gar schon vor der Wahl mit „Instrumenten“ gegen eine nach ihren persönlichen Vorstellungen unpassende italienische Regierung.

Und selbst in der angeblich konservativen CDU/CSU verkündete man bereits, dass man keinesfalls mit den „Rechten“ in Italien zusammenarbeiten wolle.

Was ist dran am Narrativ von der „Rechtsextremistin“ bzw. „Faschistin“ Meloni?

Giorgia Meloni sagte in Bezug auf Mussolini u.a. Folgendes: Es gäbe „Werte wie Freiheit und Bürgerrechte, die mehr wert seien als die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe“.

In Deutschland sieht man das offenbar anders, denn man gibt bekanntlich seit 2 1/2 Jahren der (erfolglosen) Bekämpfung eines Erkältungsvirus den Vorrang gegenüber Freiheit und Bürgerrechten. Außerdem steht Meloni für die Förderung der natürlichen Familie (ohne Schwangerschaftsabbrüche verbieten zu wollen), Respekt vor christlichen Traditionen und gilt als USA-freundliche Transatlantikerin. Die „Klimarettung“ findet sich dagegen NICHT ganz weit oben auf ihrer Prioritätenliste. Der EU steht Meloni skeptisch gegenüber – was nach den Reaktionen aus Brüssel auf ihren Wahlsieg offensichtlich auf Gegenseitigkeit beruht. Nach einer Abkehr von freiheitlich-demokratischen Werten und einem Wiederaufleben des italienischen Faschismus sieht das für mich nicht aus. Andererseits erscheint vom hiesigen linksautoritären Standpunkt wohl jeder als „rechtsextrem“ und „Faschist“, der es wagt, Freiheit, Eigenverantwortung und traditionelle Werte zu fordern.

Bei den Italienern konnte Meloni durch ihre Authenzität überzeugen: Im Gegensatz zu Salvini und Berlusconi beteiligte sie sich nicht an Draghis Einheitsregierung, sodass ihre Kritik an deren politischen Fehlentscheidungen glaubwürdig blieb. Die Italiener haben mit dem Sieg von Meloni (ihre Partei erhielt mehr Stimmanteile als unsere „Volksparteien“ CDU/CSU und SPD bei der letzten Bundestagswahl) eindeutig gegen die EU-Bevormundung und für nationale Selbstbestimmung votiert. Die arroganten Einmischungen aus Berlin und Brüssel vor der Wahl dürften sie in dieser Entscheidung noch bestärkt haben.

Melonis Fratelli d’Italia (26,0 % der Stimmen) stehen jedoch nicht allein, sie werden voraussichtlich mit Salvinis Lega (8,8%) und Berlusconis Forza Italia (8,1%) als Mitte-rechts-Bündnis regieren. Die drei Parteien und ihre Führer haben gemeinsame Ziele hinsichtlich der Bekämpfung illegaler Migration und Inflation sowie Abschaffung der Corona-Schikanen, auch die EU-Kritik eint sie. Berlusconi und Salvini sind jedoch deutlich weniger positiv gegenüber der NATO eingestellt, sodass in Bezug auf Russland-Sanktionen und Ukraine-Unterstützung Konflikte vorprogrammiert sind.

Auch die EUrokraten werden kein Mittel scheuen, um die neue italienische Regierung zu sabotieren. Angriffspunkte bieten sich genug, z.B. die Staatsverschuldung von etwa 150 % des BIP. Für Draghi gern unter den Teppich gekehrt, wird man es jetzt genüsslich wieder hervorziehen, um es Meloni anzukreiden.

Dennoch bringt mir das Wahlergebnis in Italien etwas Hoffnung: mit Italien, Schweden, Ungarn und Polen könnte sich eine Allianz der Vernunft anbahnen, die sich den Ideologen in Brüssel entgegenstellt. Und ich beneide die Italiener: ohne sich von Drohungen und falschen Narrativen einschüchtern zu lassen, wählten sie einfach ganz demokratisch die Parteien, denen sie zutrauen, ihr Land aus der Krise zu steuern. Werden die Deutschen jemals den Mut dafür finden? Ich fürchte nein, zumindest nicht im Westen. Selbst nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wählte man dort kurz darauf bei der Bundestagswahl dieselben Parteien, die mit ihrer Politik das Desaster zu verantworten hatten. Nach der Niedersachsen-Wahl wissen wir mehr, die Umfragen lassen nichts Gutes erwarten.