John Locke und die Radikalisierung

John Locke und die Radikalisierung

Gastbeitrag von Johanna Locke

Ich respektiere die AfD-Mitglieder und Funktionäre, die in aller Öffentlichkeit für ihre Ideale eintreten. Aber persönlich bevorzuge ich es dann doch, hier unter Pseudonym zu schreiben. Ich habe eine Weile überlegt, welches ich wählen sollte, und entschied mich dann für eine weibliche Form des Namens meines Lieblingsphilosophen John Locke (1632-1704). Ich wollte schon früher eine Kolumne über ihn schreiben, aber der alltägliche Irrsinn erschien mir dann doch immer interessanter.

John Locke (Porträt von Godfrey Kneller, 1697)

Und nun wird John Locke ebenfalls Opfer des alltäglichen Irrsinns: Die britische Organisation Research Information and Communications Unit (RICU) stellte fest, dass der Besitz und die Lektüre bestimmter Bücher zur „Radikalisierung“ führen würde. Auf dieser Liste standen u.a. Autoren wie JRR Tolkien (bekannt für „Herr der Ringe“), C.S. Lewis („Die Chroniken von Narnia“), Aldous Huxley („Schöne neue Welt“) und George Orwell („1984“), aber auch die Werke schon längst verstorbener berühmter Philosophen wie der „Leviathan“ von Thomas Hobbes und „Two Treatises of Government“ von John Locke.

Wikipedia sagt zum Thema RICU, dass es sich um eine britische Regierungsorganisation handelt, die 2007 von Charles Farr, einem ehemaligen MI6-Offizier, gegründet wurde, um Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die eine Radikalisierung verhindern sollten. Ursprüngliches Ziel waren britische Muslime im Alter von 15-39 Jahren. Inzwischen steht offensichtlich der „Rechtsextremismus“ sehr weit oben auf der Problemliste.

Was macht nun John Locke zum „Rechtsextremisten“? Wikipedia sagt: „Locke gilt allgemein als Vater des Liberalismus. Er ist zusammen mit Isaac Newton und David Hume der Hauptvertreter des britischen Empirismus und war der Auffassung, dass alle Erkenntnis allein auf Erfahrung beruhe. Des Weiteren ist er neben Thomas Hobbes und Jean-Jaques Rousseau einer der bedeutendsten Vertragstheoretiker im frühen Zeitalter der Aufklärung.“ Klingt nicht wirklich extremistisch.
Das verdammte Werk „Two Treatises of Government“ wurde 1689 anonym von John Locke publiziert. Im ersten Buch setzt er sich mit Robert Filmers „Patriarcha“ auseinander.

Filmer befürwortete in seinem Werk eine gottgebene, absolutistische Erbmonarchie in Anlehnung an das Patriarchat in der Bibel mit Adam als erstem absoluten Herrscher über die Menschheit. Locke widerspricht diesen Thesen, in dem er darauf hinweist, dass kein Mensch absolute Macht über andere Menschen ausüben könne, nicht einmal ein Vater über seine Kinder – und dass es niemals einen von Gott berufenen Herrscher über die ganze Welt gegeben habe.

Im zweiten Buch geht es zunächst um den „Naturzustand“, in dem die Menschen ohne Staat und offizielle Gesetze miteinander leben. Allerdings gelten doch allgemeine (göttliche) Gesetze, die es einem Menschen verbieten, einen anderem Schaden zuzufügen bzw. dem Geschädigten das Recht zur Bestrafung geben. Allerdings ist die Auslegung hier sehr subjektiv, sodass sich am Ende wohl immer der Stärkere durchsetzen wird – und nicht unbedingt die Gerechtigkeit. Hier soll der Staat Abhilfe schaffen: mit Hilfe allgemeingültiger Gesetze soll ein verbindliches Rechtssystem geschaffen werden, dass es jedem Bürger erlaubt, in Sicherheit seinen Geschäften nachzugehen und die Früchte seiner Arbeit zu genießen.

Dabei betont Locke das Recht auf individuelle Freiheit und Privateigentum. Und er erklärt schließlich, dass die Bürger das Recht hätten, ihre Regierung zu stürzen, wenn diese den Interessen der Bürger zuwiderhandelt, z.B. indem sie die Bürger ihrer Freiheit und ihres Eigentums beraubt. Letzteres hört sich auf den ersten Blick sehr extremistisch an, andererseits ist es ungefähr das, was Artikel 20, Absatz (4) des Grundgesetzes besagt. Lockes Theorien hatten übrigens auch großen Einfluss auf die englische Staatsordnung nach der Glorious Revolution 1688/89, die Amerikanische Verfassung von 1787 und die Französische Revolution von 1789.

Kein Wunder also, dass Locke als „Vater des Liberalismus“ gilt. Und es ist auch kein Wunder, dass heutige Gesellschaftsarchitekten, für die individuelle Freiheit nur als eine „Floskel“ gilt, in Lockes Ideen eine Gefahr für ihre Ideologie des totalitären Kollektivismus „zum Wohle des Planeten“ sehen. Mit anderen Worten: Locke ist „rechtsextrem“!