Rückblick auf 2016: Es geschah vor Höcke
Grütters zur „Denkmalkultur in Deutschland“
„Dass nach 1990, als das wiedervereinte Deutschland seine Rolle in Europa und der Welt vorsichtig neu definierte, das lang umstrittene Holocaust-Mahnmal […] zum bedeutendsten Denkmal in Berlin wurde, das hat für sich genommen schon hohe Symbolkraft. Neil MacGregor hat anhand dieses Beispiels auf eine Besonderheit deutscher Denkmalkultur aufmerksam gemacht. Er kenne, schrieb er im Buch zu seiner Ausstellung „Deutschland. Erinnerungen einer Nation“, er kenne „kein anderes Land, das in der Mitte seiner Hauptstadt ein Mahnmal der eigenen Schande errichtet hätte.“
Als eine weitere Besonderheit deutscher Denkmalkultur scheint sich nun mit dem vorläufigen Aus für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal das Unvermögen herauszukristallisieren, prägenden freudigen und hoffnungsvollen historischen Ereignissen und Entwicklungen ein Denkmal zu setzen. Glücklich, ja vielleicht sogar stolz und selbstbewusst zurückzuschauen auf die eigene Freiheits- und Demokratiegeschichte, das fällt uns offenbar besonders schwer.“
Kommentar:
Man sollte die Grütters-Rede ganz lesen und dazu unseren Kommentar aus dem Jahr 2016 (!):
„Nach Halle und vor der Thüringen-Wahl kann man wohl von einer Propaganda-Welle gegen die AfD sprechen. Dabei wird auch „mit gezinkten Karten“ gespielt, z.B. gegen Björn Höcke. Ihn muss man nicht „mögen“ und selbstverständlich darf man ihn (auch in der eigenen Partei) negativ bewerten, aber er sollte – wie jedermann – fair behandelt werden. Wird er das nicht?
1) Immer wieder wird von allen möglichen Seiten wiederholt, dass Björn Höcke das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet habe. Das Mahnmal sei eine Schande für die Hauptstadt, ein schändliches Denkmal. Hat er das? Hier das vollständige Zitat:
„Wir Deutschen – und ich rede jetzt nicht von euch Patrioten, die sich hier heute versammelt haben – wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“
a) Wer Deutsch kann (und das können Journalisten und Politiker), weiß, dass ein Denkmal bzw. Mahnmal der Schande kein schändliches Denkmal ist, sondern an eine Schande erinnert, zum Denken anregen soll (Denk-mal) bzw. die Betrachter mahnen soll (Mahn-mal).
b) Man sollte vielleicht auch wissen (oder darüber informiert werden), dass Höcke diesen Ausdruck nicht „erfunden“ hat, sondern eher „vorgefunden“ hat.
c) Schon im November 1998 sprach Rudolf Augstein (!) im Spiegel tatsächlich von einem „Schandmal“: „Das Holocaust-Mahnmal soll in der Mitte der wiedergewonnenen Hauptstadt Berlin an unsere fortwährende Schande erinnern. Anderen Nationen wäre ein solcher Umgang mit ihrer Vergangenheit fremd. Man ahnt, daß dieses Schandmal gegen die Hauptstadt und das in Berlin sich neu formierende Deutschland gerichtet ist.“
(Mehr dazu unter:)
https://uebermedien.de/11997/hoecke-augstein-und-das-denkmal-der-schande/
d) Man muss aber nicht zu dieser so antisemitischen Quelle zurückgehen, wie die oben dokumentierte Rede von Kulturstaatsministerin Grütters zeigt.
Den folgenden Leserbrief hat die Kölnische Rundschau im Januar 2017 nicht abgedruckt:
Doppelte Moral?
Wer hat schon vor Björn Höcke (AfD) geschrieben, er kenne „kein anderes Land, das in der Mitte seiner Hauptstadt ein Mahnmal der eigenen Schande errichtet hätte“?
Antwort: Der britische Kunsthistoriker Neil MacGregor, seit 2015 Intendant des Berliner Humboldtforums, im Begleitbuch zu seiner Ausstellung „Deutschland. Erinnerungen einer Nation“.
Wer hat diesen Satz [am 05.09.2016] zum Auftakt einer Podiumsdiskussion zum Thema „Denkmalkultur“ zitiert?
Antwort: Keine Geringere als Kulturstaatsministerin Grütters (CDU).
Wo findet man das?
Antwort: Auf der Homepage der Bundesregierung.
Wer hat sich damals darüber empört?
Antwort: Niemand.
2) Ministerin Grütters stellt fest:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/gruetters-zur-denkmalkultur-in-deutschland–387888
„Als eine weitere Besonderheit deutscher Denkmalkultur scheint sich nun […] das Unvermögen herauszukristallisieren, prägenden freudigen und hoffnungsvollen historischen Ereignissen und Entwicklungen ein Denkmal zu setzen. Glücklich, ja vielleicht sogar stolz und selbstbewusst zurückzuschauen auf die eigene Freiheits- und Demokratiegeschichte, das fällt uns offenbar besonders schwer.“
Plädiert Frau Grütters nicht auch (wie Höcke) für ein Umdenken bzw. mindestens für eine Erweiterung der deutschen Erinnerungskultur? Zwar nicht explizit „um 180 Grad“, aber immerhin.
Hier noch die vollständige Höcke-Rede im Wortlaut, damit man sich ein eigenes Urteil erlauben kann:
https://www.tagesspiegel.de/politik/hoecke-rede-im-wortlaut-gemuetszustand-eines-total-besiegten-volkes/19273518-all.html
(234)