Nicht nur die NZZ fragt sich das

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Die EU hat den Beginn der grössten Impfaktion in der Geschichte der Menschheit verstolpert – ist Ursula von der Leyen ihrer Aufgabe gewachsen?

Neue Züricher Zeitung NZZ | 05.02.21

Wenn die Schuldzuweisungen beginnen, merkt auch der Letzte, dass irgendetwas gründlich schiefläuft. Die Impfstoffe werden noch schleppender geliefert als erwartet, und die Öffentlichkeit sucht bereits nach Sündenböcken. Die EU-Kommission schlägt wild um sich, schliesslich hat sie die Verträge mit den Produzenten ausgehandelt. […] Der Druck, der auf Ursula von der Leyen lastet, ist immens. Ankauf und Abwicklung von Impfstoffen für 450 Millionen Menschen sind ein gewaltiger Kraftakt. Fehler sind da unvermeidlich, aber mit jedem Fehler mehren sich die Zweifel, ob die Präsidentin und die Kommission diese Aufgabe stemmen können. […] Dass die Brüsseler Bürokratie langsam arbeitet, weil sie 27 Mitglieder und ein Parlament konsultieren muss, lässt sich nicht ändern. Umso wichtiger wäre eine Kommissionspräsidentin, die solche Mängel ihrer Behörde durch Führungskraft kompensierte. Ursula von der Leyen hingegen ist vor allem eine geschickte Marketing-Fachfrau. Sie hat gezeigt, dass sie Erfolge zu verkaufen weiss, Misserfolge überlässt sie anderen. […] Diesmal sieht die Öffentlichkeit genauer hin, weshalb sie mit Sicherheit über einige offene Punkte diskutieren wird. Dazu gehört die Frage, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre frühere Ministerin zu sorglos bei den Vertragsverhandlungen der EU agierten. Deutschland hatte im zweiten Halbjahr 2020 die Ratspräsidentschaft inne, also in dem Zeitraum, in dem Brüssel Impfstoffe bestellte.
Im Programm für die Ratspräsidentschaft erklärte Berlin die Bewältigung der Corona-Krise zu seiner ersten Priorität. Warum liess man dann die EU-Kommission einfach so laufen?

Kommentar:

Auch die (durchaus kontroversen) Leserkommentare sind zu empfehlen. Hier nur ein Beispiel:
„Ich gehöre der ersten Nachkriegsgeneration an: Mein Vater, der Vater meiner Frau, die Väter meiner Freunde schossen als halbe Kinder noch für Nazideutschland, wurden selbst beschossen, litten ein Leben lang unter dem aufgezwungenen Dienst am „braunen Vaterland“, dessen Ende sie herbeiseufzten. Ein geeintes Europa, unsere Verfassung spiegelt dies, sollte Garant für Freiheit, Frieden und Wohlstand sein. Daher begrüßten die meisten die Römischen Verträge, die EWG, später die EU. Auch ich stehe hinter dem Gedanken einer EU friedlich miteinander kooperierender und verbundener Vaterländer, die dort, wo es sinnvoll ist, Kompetenzen an Europa abgeben! Zum Wohle aller!! Leider muss ich sehen, dass bei entscheidenden Fragen diese Europa stark versagt! Weil Europa schlecht konzipiert ist? Nein! Weil die Politik, selbstherrlich immer stärker die Grundgedanken Europas pervertierend, Europa in die Krise führt: Flüchtlingskrise, EZB-Krise, Verfall der Sparguthaben, Schulden- und Transferunion, Clan-Problematik, aufgeblasene EU-Bürokratie, mangelnde Verteidigungsfähigkeit, mangelnde Verve gegenüber der chinesischen Herausforderung, illiberale Demokratien etc. Und nun ein Impfchaos, dessen Gegner bzw. Kritiker ganz in augenblicklich guter, deutscher „Totschlagmanier“ als „Impfnationalisten“ – meint man vielleicht „Impf-Nazis“? – verleumdet werden. Falsch liegt also der Kritiker, nicht die Politik?? Der Sack wird geprügelt, die Esel freuen sich! Unser Europa, das verdienst du nicht!

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