Ein Artikel, der zum Widerspruch zwingt
„Die demokratischen Verfahren sind blockiert“ — Die Macht der AfD bei Thüringens Regierungsbildung
„Die erste Hürde […] ist die konstituierende Sitzung des Landtages. […]. Und in dieser konstituierenden Sitzung wird der Landtagspräsident gewählt, vorher kann der Landtag nicht anfangen zu arbeiten. Geleitet wird diese konstituierende Sitzung allerdings vom Alterspräsidenten des Landtages – und das wird ein Abgeordneter der AfD sein. Das wird sehr, sehr spannend sein zu beobachten, wie diese Wahl abläuft.“
Das heißt, im schlechtesten Fall verzögert sich die Konstitution des Landtags, weil kein Landtagspräsident gewählt wird?
„Genau, die demokratischen Verfahren sind blockiert. Genau das ist auch ganz typisch für autoritäre Populisten, dass sie diesen Zustand versuchen herbeizuführen […].“
Warum ist der Landtagspräsident relevant?
„Der Landtagspräsident kontrolliert mittelbar die Landtagsverwaltung und deren Personalentscheidungen. Er kann etwa die Spitze der Landtagsverwaltung, den Landtagsdirektor, ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand schicken und eine neue Person installieren und über diese die ganze Landtagsverwaltung politisch entsprechend ausrichten. So kann er aus diesem unpolitischen Amt eine Art Waffe machen, mit der man politische Gegner bekämpft, zum Beispiel, indem sich die Abgeordneten der anderen Fraktionen nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Mails nicht mitgelesen werden.“
Kommentar:
Finden Sie nicht auch, dass der Beitrag überaus tendenziös ist? Das ist aber nicht überraschend, wenn man zum Schluss erfährt; „Das Original zu diesem Beitrag […] stammt von Tagesspiegel.“
Zur Sache (nur 3 Aspekte):
1) Wieso „wird (es) sehr, sehr spannend sein zu beobachten, wie diese Wahl abläuft, wenn die konstituierende Sitzung „allerdings“ von einem Abgeordneten der AfD geleitet wird?
Wird hier nicht („böswillig?) unterstellt, dass dieser ein Verfahren wählen könnte, das nicht der Verfassung entspricht?
2) Es wird behauptet, dass „die demokratischen Verfahren blockiert (sind)“, wenn die AfD verfassungsgemäße Möglichkeiten nutzt, um als deutlich stärkste Fraktion den Landtagspräsidenten stellen zu können. Und „natürlich“ ist das „ganz typisch für autoritäre Populisten.“
Gegenposition:
Wenn die anderen Fraktionen – ebenfalls verfassungsgemäß – keinen AfD-Kandidaten zu wählen bereit sind, blockieren sie mindestens ebenso ein demokratisches Verfahren – und das ja „ganz typisch für autoritäre Populisten!“ Na, sowas!
3) Wenn man von einem renommierten Juristen dann erfährt, dass ein Landtagspräsident u.a. „den Landtagsdirektor, ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand schicken und eine neue Person installieren und über diese die ganze Landtagsverwaltung politisch entsprechend ausrichten“ kann, dann muss man doch wohl davon ausgehen, dass die bisherigen Landtagspräsidenten von dieser „anscheinend gefährlichen“ Möglichkeit auch Gebrauch gemacht haben bzw. dass ein neuer Nicht-AfD-Landtagspräsident „die ganze Landtagsverwaltung politisch entsprechend ausrichten“ würde – oder glaubt jemand (auch der Herr Jurist) ernsthaft, dass ein neuer Nicht-AfD-Landtagspräsident Mitglieder der AfD in der Landesverwaltung beschäftigen würde?
Ist das ganze Interview nicht ein Ärgernis?
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